Samstag, 22. Oktober 2011

Die Geschichte einer Familie



Wenn Vergangenheit Geschichte ist - Eine Familiengeschichte, eingebettet in die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts

Die überarbeitete Fassung als e-book im neuen Gewand






Der Klappentext


Hanna Elisa fliegt gemeinsam mit ihrem Mann in den Mittleren Osten, um ihre Tochter und das neugeborene Enkelkind zu besuchen. Auf dem langen Flug führen die Gedanken sie in eine Zeit, die sie nur aus Erzählungen ihres Vaters und ihres Großvaters kennt, verfangen sich in den unruhigen Zeiten ihres eigenen Beginns.
Es begann alles auf einer Hochzeit, als die fröhliche Lilli dem Marinesoldaten Hardy begegnete, der einst ausgesandt wurde die Welt zu erobern. Der ehemalige U-Boot Funker Hardy, Sohn eines Bergarbeiters oft nur knapp dem Tod auf den Weltmeeren entronnen und Lilli, ein unbekümmertes rheinisches Mädchen, planten voller Zuversicht ihre gemeinsame Zukunft. Tatkraft und Ideenreichtum, Optimismus und Humor prägten ihre Taten, die sie auch die schwierigsten Zeiten überstehen lässt. Hanna Elisa erlebte zwei Welten. Da war Lillis Familie, angeführt von Jakob, dessen hohes Ansehen im Dorf ihn zum Berater der Unsicheren machte. Von ihm lernte Hanna Elisa schon früh, sich einzumischen und die streng katholische Großmutter, die dem Kind nicht erlaubte am Morgen vor dem Beten zu singen. Im Ruhrgebiet lebten Hardys Eltern, unpolitisch und nicht nur zu Jakobs Entsetzen waren sie einst Befürworter Hitlers Politik. Erst als die Auswirkung des Krieges auch ihre Familie erreichte entstanden Zweifel.  Hier erlebte Hanna Elisa Urlaubstage ohne Fesseln, Zusammentreffen der Nachbarschaft auf der Bank unter dem Fliederbaum, gemeinsames Musizieren, Toleranz  -  aber auch das Auseinandergehen der langjährigen Gemeinschaften, als der Fernseher seinen Siegeszug antrat.






Leseprobe

Frühling 1997

An manchen Tagen zweifelt Hanna Elisa, ob es ratsam ist in den alten Fotos zu kramen. Oft schmerzte es, die so weit von ihr entfernt lebenden, so nah zu sehen. Das aufgeschlagene Fotoalbum liegt vor ihr auf der Erde und versonnen betrachtet sie die Bilder des Sommers vor einem Jahr und denkt daran, wie sie ihrem Enkel die Bilder der eigenen Kindheit zeigte. Verwundert hatte er sie beim Anblick der Fotos angeschaut ungläubig gefragt,
„Das kleine lockige Mädchen bist du? Nein Oma, das ist nur der Beginn einer neuen Geschichte!“
„Nein, nein, mein Schatz, das ist die Wirklichkeit. Alle Menschen kommen klein zur Welt, werden Jahr für Jahr größer bis sie erwachsen sind und sie sind so unterschiedlich wie die Steine, die wir vor wenigen Tagen zusammen am Strand sammelten. Manche werden dick und klein, andere dünn und groß,  vielleicht auch groß und dick, und denke nur an den Blumenverkäufer in Avila, dann weißt du, kleine dünne Menschen gibt es auch. Einige Menschen sind fröhlich, andere ernst. Es gibt die lieben und die bösen, denen man am besten aus dem Weg geht und die herzensguten, von deren Seite niemand weichen will, weil sich jeder in ihrer Nähe so geborgen fühlt. Da sind noch die stillen Menschen und die, die ständig reden, obwohl sie nichts zu sagen haben und die ignoranten, die tollpatschigen und die geschickten. Nur eins trifft auf jeden Menschen zu, er ist einzigartig und auch dich Noah gibt es nur einmal auf der Erde“.
  Andächtig hörte der Kleine ihr zu, in jeder Hand ein kleines Auto, mit denen er über riesige Phantasiestraßen um sie herum fuhr, immer wieder einen Blick auf ihre Fotos werfend und sie blickte abwechselnd auf das spielende Kind und auf das Foto in ihrem Album.
  Sie sah sich auf der Wiese am Hang sitzen, kleine Blumen in der Hand, fühlte sich in den längst vergessen geglaubten Frühlingstag zurück versetzt. Fragte sich, was davon bin noch ich, -  beeinflussen Erinnerungen und Erfahrungen aus dieser Zeit, in der mir nur Liebe und Zuverlässigkeit begegnete, noch meine heutigen Handlungen?
Zur Zeit der Baumblüte, von der das Foto erzählte, war sie achtzehn Monate alt, einer rundlichen pausbäckigen Puppe ähnlich.  Wie anders sahen die Erwachsenen aus, eingefallene Wangen, schlotternde Anzüge und zu weite Kleider an ausgemergelten Körpern und selbst das glückliche Lachen über die wieder erlangte Freiheit, das Zusammentreffen der Familie an einem herrlichen Frühlingstag, verdrängte die Panik und die Angst über das in der Vergangenheit erlebte nicht aus ihren Augen. 
Der Zeit entsprechend war das Bild schwarzweiß. Verblüfft sah Noah sie an,
„Oma wo hast du die Farben verloren?“
„Nein mein Kind, ich habe sie nicht verloren, sie sind alle noch in meinem Kopf“.
  Unzählige Male besuchte sie bis in die ersten Jahre ihrer Ehe diese Wiese zur Zeit der Obstblüte und sie schilderte dem blonden Jungen an ihrer Seite die Farbenvielfalt, die das kleine Mädchen Jahr für Jahr verzauberte.  Die von ihrer Mutter bereits vor ihrer Geburt gestrickten, mit kleinen bunten Blumen bestickten weißen Wolljacke, den blauen weiten Rock, aus einer alten Marineuniform ihres Vaters genäht, Vorkriegsware, konnte sie sich mit den Geschichten ihrer Entstehung gut ins Gedächtnis rufen. Nachdem sie aus diesen Sachen heraus gewachsen war, wurden sie noch Jahre später von ihren Cousinen getragen. Sie liebte diese Wiese, und beim Blättern in den Fotos schien es ihr, der Duft der Frühlingstage hüllte sie immer noch ein, begleitete sie bis in die Gegenwart, um sie vor den unechten synthetischen Gerüchen einer egoistischen, verlogenen, doppelzüngigen, nur den lauten Äußerlichkeiten, Effekten und Schlagzeilen hinterher jagenden Meute zu schützen, und für einen kostbaren Augenblick verdrängte der zarte Frühlingsduft aus glücklichen Kindertagen die kalte übel riechende Aura der Menschen aus ihrer Nähe, die ohne Rücksicht auf das Erhaltenswerte nur an ihrem Profit interessiert waren, die Stunde für Stunde mehr Raum in der Gesellschaft einnahmen, das Tagesgeschäft bestimmten.
Sie liebte die Frühlingsblumen, die Kirschbäume, den kleinen Bach und das Gefühl der Freiheit, dass sie auch später bei der Erinnerung an diese Ausflüge stets empfand. Das Versprechen wieder kommen zu dürfen, wenn das erste Obst reif war, schenkte ihr Sicherheit und sie sah sich hinter den Erwachsenen den Berg hinauf hüpfen, die mit Leitern und Körben beladen auf dem schmalen steilen Patt liefen, erinnerte sich, wie sie sich wieder und wieder umschaute, ihren Großvater Jakob nachahmend, der oft stehen blieb, um zu verschnaufen und unentwegt feststellte, es gäbe keine schönere Aussicht auf der Welt, als von hier auf den Rhein zu schauen, auf das Siebengebirge mit dem Drachenfels.
„Nirgendwo auf der Welt ist die Landschaft so großartig, nirgendwo ist das Obst so saftig und süß, der Kohl so dick und fest, der Spargel so zart. Ein Segen ist es, dass wir all diese Köstlichkeiten ernten können“. Hanna Elisa glaubte ihm. Denn Jakob  gehörte zu den Erwachsenen, zu denen man als Kind absolutes Vertrauen haben konnte, der alle ihre Fragen beantwortete und der sie mit seinem Tod zum ersten Mal enttäuschte. Als Jakob starb, war Hanna Elisa vierzehn Jahre alt und bereits im Augenblick seines Todes spürte sie, dass er ihr fehlen würde, sein Verständnis, seine Geschichten und sein Weitblick, über den sie sich im nach hinein wunderte. Schließlich war er kaum aus seinem rheinischen Dorf heraus gekommen. Allerdings hatte er seit seinem vierzehnten Lebensjahr für die Reichsbahn, später Bundesbahn, gearbeitet, hatte in der Rotte angefangen und sich zum Stellwerksleiter hochgearbeitet, und wenn sie heute darüber nachdachte, über all die  Züge, denen er hinterher sehen durfte, mit ihnen seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte, war sie  überzeugt, dass ihm diese Arbeit half über den dörflichen Rahmen, in dem er lebte und sich verwurzelt fühlte, hinaus zu denken.
Entschlossen schlug Hanna Elisa das Fotoalbum zu. Aber es gelang ihr nicht in die Gegenwart zurückzukehren. Versonnen blieb sie auf dem Teppich sitzen. Fünf Jahre war es her, dass ihre Tochter Laura das Elternhaus verlassen hatte, um ihren Lebensmittelpunkt in den Mittleren Osten zu verlegen und sieben Monate waren bereits vergangen, dass sie mit Simon und den Kindern durch Felder und Wiesen streiften und während sie auf ihren täglichen Spaziergängen Laura und dem Kind aus den längst vergangenen Tagen erzählte, die sie auch nur durch die unerschöpflichen Geschichten ihres Großvaters kennen gelernt hatte, glaubte sie Jakobs Nähe und seine beschützende Aura zu spüren. Ihr  Herz schlug höher, wenn sie daran dachte, dass Laura den alten Brauch  des Geschichtenerzählens in der Familie weiterführte. Als sie Sven nach Bahrain folgte, Verantwortung für Kinder, Haus und Garten übernahm und in der traditionellen Rolle der Frau lebte, erkannte sie, egal in welches Land der Erde, in welche Kultur, sie durch Svens Beruf noch verschlagen würde, nichts war wichtiger, als den Kindern ein zuverlässiger Ruhepunkt in einem unruhigen Leben zu sein. Diese Einstellung gab ihr die Geduld auf den Zeitpunkt zu warten, an dem die Kinder beginnen würden eigene Wege zu gehen und sie nutzte ihre Kreativität und ihre Talente im häuslichen Bereich, erfand nicht nur zu Noahs Vergnügen phantasievolle Geschichten und originelle Spiele. Nie gingen ihr die Einfälle aus, die alle zum Lachen brachten und vergessen ließen, das man den Pool, den Spielplatz und das Meer, die vor der Haustür lagen, an den unerträglichen Tagen der heißen trockenen Wüstenwinde, die aus Saudi Arabien kamen, nur vom Fenster aus betrachten konnte. In Lauras Obhut verwandelte sich der Tag in einen Traum für Zaubergestalten und alle die ihr zuhörten vergaßen mit Hilfe ihrer Worte Raum und Wirklichkeit und die gut funktionierende Klimaanlage ließ die Besucher die barbarische Hitze, die auch nachts nicht von der Insel wich, unwirklich erscheinen. Es war ihnen bereits entfallen, dass sie erst vor wenigen Stunden bei ihrer Ankunft darüber klagten, das die Hitze und die Luftfeuchtigkeit ihnen fast den Atem nahm. Und während sie am Fenster standen, über das Meer blickten und Lauras Geschichten lauschten, glaubten sie dem unermüdlichen Wind, der verführerisch mit leichtem Säuseln durch die mächtigen Kronen der Palmen wehte, dass er die ersehnte Abkühlung bringen würde. Wenn ein Besucher die Terrassentür öffnete, einen Schritt auf den Rasen trat, um die kühle frische Luft zu spüren, die er durch das Fenster wahrgenommen hatte und statt einmal tief durchzuatmen, erschrocken ins Haus zurück eilte, lachte Laura und während der Besucher seine Arme in dem Glauben betrachtete, entstellende Verbrennungen zu sehen, erzählte sie, dass sie im ersten Jahr ihres Hier seins  zu oft auf die Verführungskünste des Windes hereingefallen sei. Sie verschwieg, dass sie an manchen Tagen Tränen überströmt wieder ins Haus gerannt war, von Sehnsucht nach einem kühlen deutschen Sommer erfüllt. Und der Wind zog ohne Erbarmen weiter über die märchenhafte Insel. Statt Kühle zu bringen, trocknete er in kurzer Zeit die zarten Blüten der Bäume und Sträucher aus, raubte das letzte Tröpfchen Wasser, das sich in einer Baumrinde verborgen hielt und versteckte die Farben der Insel unter einem Schleier aus heißem Sand.








In den Trümmern von Remagen aufgewachsen habe ich mir seit  frühester Kindheit Gedanken zum Krieg gemacht, ob von Staatshäuptern oder Industriellen ausgehend, ob der Krieg sich gegen den Menschen richtet oder gegen die Natur. (die letztendlich immer beide betroffen sind) Die Entwicklung der Waffen spricht nicht von Intelligenz sondern von Verblendung und Selbstverliebtheit. 

Mein Fazit, kein Krieg ohne Religion, Gier, Dummheit, Kurzsichtigkeit, Überheblichkeit. Kein Krieg ohne die Denkweise der Krupps, Thyssen und Quandts.... Auf allen Kontinenten unserer Erde fehlt Geld für Bildung und Nahrung, aber nirgendwo für Waffen. Still und leise wurde während der letzten Fußballweltmeisterschaft die Luftwaffe der Bundeswehr für Milliarden aufgerüstet, vor wenigen Wochen wurden wieder Milliardenbeträge bewilligt. Sind wir bereit wieder zu töten? 
Leid über die Menschheit zu bringen?

Wo bleibt der Aufschrei des Volkes??

Und gleichzeitig wachsen in unserem reichen Land Kinder in Armut auf, hungern, Bildung bleibt ihnen versagt, kein Geld für Kita und Ganztagsschulen. (Ein gebildetes Volk ist nicht manipulierbar) Die unteren Einkommengruppen werden von unseren Machthabern immer höher belastet, läßt die Reichen noch reicher werden. 

Es ist Zeit aufzustehen, aber wer beginnt?


Freitag, 14. Januar 2011

Ein Blog für Katzen, Vögel, Blumen und andere Schönheiten - Fasane und andere Wintergäste














Spiel mit Rosen














Bunt






Tiere im Garten













Wer mag keinen Schnee?





Winterbilder






Mittwoch, 29. April 2009

Dienstag, 13. Januar 2009

Treibjagd

Ende Dezember haben Jäger in unserem Nachbardorf einen Treiber angeschossen, der an seinen Verletzungen gestorben ist.
Warum ist es im 21. Jahrhundert noch einer Minderheit gestattet, Privilegien aus der Feudalzeit zu nutzen. Treibjagd ist kein Sport und gehört schon lange abgeschafft. Laßt die Wölfe wieder in unseren Wald und der Jäger ist überflüssig. Aber wo bleiben dann die Jäger, die ewig Gestrigen = Manager aus Bank- und Bauwesen, Industrie Anwälte, Ärzte - der bessere Teil unserer Gesellschaft, um ihre Überlegenheit und Macht im Beisein der Treiber, meistens Abhänige, oft Minderjährige, zu demonstrieren. Alkoholisiert streifen sie durch den Wald, verwechseln Treiber mit Wild, greifen beim abendlichen Zusammensein den Kellnerinnen unter die Röcke, weil sie nach dem Anblick der toten Tiere und dem Geruch des frischen warmen Blutes glauben, der Held hat ein Recht darauf.

Donnerstag, 1. Januar 2009

Kommentar der Autorin

Trotz der immer vom Optimismus und Toleranz getragenen Geschichte ist die Kritik an unserer heutigen Gesellschaft, immer, schneller, besser, schöner als mein Gegenüber muss ich sein, gegenwärtig.

Dienstag, 30. Dezember 2008

Vom Schneckentöter und anderem Wahnsinn - oder von der Lust zu leben - Leseprobe




Frühling 1997 Hanna Elisa und Simon reisen in den Orient

An manchen Tagen zweifelt Hanna Elisa, ob es ratsam ist in den alten Fotos zu kramen. Oft schmerzte es, die so weit von ihr entfernt lebenden, so nah zu sehen. Das aufgeschlagene Fotoalbum liegt vor ihr auf der Erde und versonnen betrachtet sie die Bilder des Sommers vor einem Jahr und denkt daran, wie sie ihrem Enkel die Bilder der eigenen Kindheit zeigte. Verwundert hatte er sie beim Anblick der Fotos angeschaut ungläubig gefragt,
„Das kleine lockige Mädchen bist du? Nein Oma, das ist nur der Beginn einer neuen Geschichte!“
„Nein, nein , mein Schatz, das ist die Wirklichkeit. Alle Menschen kommen klein zur Welt, werden Jahr für Jahr größer bis sie erwachsen sind und sie sind so unterschiedlich wie die Steine, die wir vor wenigen Tagen zusammen am Strand sammelten. Manche werden dick und klein, andere dünn und groß, vielleicht auch groß und dick, und denk nur an den Blumenverkäufer in Avila, dann weißt du, kleine dünne Menschen gibt es auch. Einige Menschen sind fröhlich, andere ernst. Es gibt die lieben und die bösen, denen man am besten aus dem Weg geht und die herzensguten, von deren Seite niemand weichen will, weil sich jeder in ihrer Nähe so geborgen fühlt. Da sind noch die stillen Menschen und die, die ständig reden, obwohl sie nichts zu sagen haben und die ignoranten, die tollpatschigen und die geschickten. Nur eins trifft auf jeden Menschen zu, er ist einzigartig und auch dich Noah gibt es nur einmal auf der Erde“.
Andächtig hörte der Kleine ihr zu, in jeder Hand ein kleines Auto, mit denen er über riesige Phantasiestraßen um sie herum fuhr, immer wieder einen Blick auf ihre Fotos werfend und sie blickte abwechselnd auf das spielende Kind und auf das Foto in ihrem Album.
Sie sah sich auf der Wiese am Hang sitzen, kleine Blumen in der Hand, fühlte sich in den längst vergessen geglaubten Frühlingstag zurück versetzt. Fragte sich, was davon bin noch ich, - beeinflussen Erinnerungen und Erfahrungen aus dieser Zeit, in der mir nur Liebe und Zuverlässigkeit begegnete, noch meine heutigen Handlungen?
Zur Zeit der Baumblüte, von der das Foto erzählte, war sie achtzehn Monate alt, einer rundlichen pausbäckigen Puppe ähnlich. Wie anders sahen die Erwachsenen aus, eingefallene Wangen, schlotternde Anzüge und zu weite Kleider an ausgemergelten Körpern und selbst das glückliche Lachen über die wieder erlangte Freiheit, das Zusammentreffen der Familie an einem herrlichen Frühlingstag, verdrängte die Panik und die Angst über das in der Vergangenheit erlebte nicht aus ihren Augen.
Der Zeit entsprechend war das Bild schwarzweiß. Verblüfft sah Noah sie an,
„Oma wo hast du die Farben verloren?“
„Nein mein Kind, ich habe sie nicht verloren, sie sind alle noch in meinem Kopf“.
Unzählige Male besuchte sie bis in die ersten Jahre ihrer Ehe diese Wiese zur Zeit der Obstblüte und sie schilderte dem blonden Jungen an ihrer Seite die Farbenvielfalt, die das kleine Mädchen Jahr für Jahr verzauberte. Die von ihrer Mutter bereits vor ihrer Geburt gestrickten, mit kleinen bunten Blumen bestickten weißen Wolljacke, den blauen weiten Rock, aus einer alten Marineuniform ihres Vaters genäht, Vorkriegsware, konnte sie sich mit den Geschichten ihrer Entstehung gut ins Gedächtnis rufen. Nachdem sie aus diesen Sachen heraus gewachsen war, wurden sie noch Jahre später von ihren Cousinen getragen. Sie liebte diese Wiese, und beim Blättern in den Fotos schien es ihr, der Duft der Frühlingstage hüllte sie immer noch ein, begleitete sie bis in die Gegenwart, um sie vor den unechten synthetischen Gerüchen einer egoistischen, verlogenen, doppelzüngigen, nur den lauten Äußerlichkeiten, Effekten und Schlagzeilen hinterher jagenden Meute zu schützen, und für einen kostbaren Augenblick verdrängte der zarte Frühlingsduft aus glücklichen Kindertagen die kalte übel riechende Aura der Menschen aus ihrer Nähe, die ohne Rücksicht auf das Erhaltenswerte nur an ihrem Profit interessiert waren, die Stunde für Stunde mehr Raum in der Gesellschaft einnahmen, das Tagesgeschäft bestimmten.
Sie liebte die Frühlingsblumen, die Kirschbäume, den kleinen Bach und das Gefühl der Freiheit, dass sie auch später bei der Erinnerung an diese Ausflüge stets empfand. Das Versprechen wieder kommen zu dürfen, wenn das erste Obst reif war, schenkte ihr Sicherheit und sie sah sich hinter den Erwachsenen den Berg hinauf hüpfen, die mit Leitern und Körben beladen auf dem schmalen steilen Patt liefen, erinnerte sich, wie sie sich wieder und wieder umschaute, ihren Großvater Jakob nachahmend, der oft stehen blieb, um zu verschnaufen und unentwegt feststellte, es gäbe keine schönere Aussicht auf der Welt, als von hier auf den Rhein zu schauen, auf das Siebengebirge mit dem Drachenfels.
„Nirgendwo auf der Welt ist die Landschaft so großartig, nirgendwo ist das Obst so saftig und süß, der Kohl so dick und fest, der Spargel so zart. Ein Segen ist es, dass wir all diese Köstlichkeiten ernten können“. Hanna Elisa glaubte ihm. Denn Jakob gehörte zu den Erwachsenen, zu denen man als Kind absolutes Vertrauen haben konnte, der alle ihre Fragen beantwortete und der sie mit seinem Tod zum ersten Mal enttäuschte. Als Jakob starb, war Hanna Elisa vierzehn Jahre alt und bereits im Augenblick seines Todes spürte sie, dass er ihr fehlen würde, sein Verständnis, seine Geschichten und sein Weitblick, über den sie sich im nach hinein wunderte. Schließlich war er kaum aus seinem rheinischen Dorf heraus gekommen. Allerdings hatte er seit seinem vierzehnten Lebensjahr für die Reichsbahn, später Bundesbahn, gearbeitet, hatte in der Rotte angefangen und sich zum Stellwerksleiter hochgearbeitet, und wenn sie heute darüber nachdachte, über all die Züge, denen er hinterher sehen durfte, mit ihnen seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte, war sie überzeugt, dass ihm diese Arbeit half über den dörflichen Rahmen, in dem er lebte und sich verwurzelt fühlte, hinaus zu denken.
Entschlossen schlug Hanna Elisa das Fotoalbum zu. Aber es gelang ihr nicht in die Gegenwart zurückzukehren. Versonnen blieb sie auf dem Teppich sitzen. Fünf Jahre war es her, das ihre Tochter Laura das Elternhaus verlassen hatte, um ihren Lebensmittelpunkt in den Mittleren Osten zu verlegen und sieben Monate waren bereits vergangen, dass sie mit Simon und den Kindern durch Felder und Wiesen streiften und während sie auf ihren täglichen Spaziergängen Laura und dem Kind aus den längst vergangenen Tagen erzählte, die sie auch nur durch die unerschöpflichen Geschichten ihres Großvaters kennen gelernt hatte, glaubte sie Jakobs Nähe und seine beschützende Aura zu spüren. Ihr Herz schlug höher, wenn sie daran dachte, das Laura den alten Brauch des Geschichtenerzählens in der Familie weiterführte. Als sie Sven nach Bahrain folgte, Verantwortung für Kinder, Haus und Garten übernahm und in der traditionellen Rolle der Frau lebte, erkannte sie, egal in welches Land der Erde, in welche Kultur, sie durch Svens Beruf noch verschlagen würde, nichts war wichtiger, als den Kindern ein zuverlässiger Ruhepunkt in einem unruhigen Leben zu sein. Diese Einstellung gab ihr die Geduld auf den Zeitpunkt zu warten, an dem die Kinder beginnen würden eigene Wege zu gehen und sie nutzte ihre Kreativität und ihre Talente im häuslichen Bereich, erfand nicht nur zu Noahs Vergnügen phantasievolle Geschichten und originelle Spiele. Nie gingen ihr die Einfälle aus, die alle zum Lachen brachten und vergessen ließen, das man den Pool, den Spielplatz und das Meer, die vor der Haustür lagen, an den unerträglichen Tagen der heißen trockenen Wüstenwinde, die aus Saudi Arabien kamen, nur vom Fenster aus betrachten konnte. In Lauras Obhut verwandelte sich der Tag in einen Traum für Zaubergestalten und alle die ihr zuhörten vergaßen mit Hilfe ihrer Worte Raum und Wirklichkeit und die gut funktionierende Klimaanlage ließ die Besucher die barbarische Hitze, die auch nachts nicht von der Insel wich, unwirklich erscheinen. Es war ihnen bereits entfallen, dass sie erst vor wenigen Stunden bei ihrer Ankunft darüber klagten, das die Hitze und die Luftfeuchtigkeit ihnen fast den Atem nahm. Und während sie am Fenster standen, über das Meer blickten und Lauras Geschichten lauschten, glaubten sie dem unermüdlichen Wind, der verführerisch mit leichtem Säuseln durch die mächtigen Kronen der Palmen wehte, dass er die ersehnte Abkühlung bringen würde. Wenn ein Besucher die Terrassentür öffnete, einen Schritt auf den Rasen trat, um die kühle frische Luft zu spüren, die er durch das Fenster wahrgenommen hatte und statt einmal tief durchzuatmen, erschrocken ins Haus zurück eilte, lachte Laura und während der Besucher seine Arme in dem Glauben betrachtete, entstellende Verbrennungen zu sehen, erzählte sie, dass sie im ersten Jahr ihres Hier seins
zu oft auf die Verführungskünste des Windes hereingefallen sei. Sie verschwieg, dass sie an manchen Tagen Tränen überströmt wieder ins Haus gerannt war, von Sehnsucht nach einem kühlen deutschen Sommer erfüllt. Und der Wind zog ohne Erbarmen weiter über die märchenhafte Insel. Statt Kühle zu bringen, trocknete er in kurzer Zeit die zarten Blüten der Bäume und Sträucher aus, raubte das letzte Tröpfchen Wasser, das sich in einer Baumrinde verborgen hielt und versteckte die Farben der Insel unter einem Schleier aus heißem Sand.

Das Klingeln des Telefons unterbricht ihre Gedanken und einmal am Schreibtisch sitzend öffnet sie die Emails des heutigen Tages. Geduldig wartet sie darauf, dass die neuesten Fotos, die Laura ihr geschickt hatte, auf ihrem Bildschirm erscheinen. Ihr PC ist nicht der neueste und an manchen Tagen von der Informationsflut, die Laura ihr zusendet, überfordert. Endlich, gerührt sieht sie auf das erste Bild. Zwei Kinder liegen auf einem großen Bett, der lachende Noah und der neugeborene schlafende David. Hanna sehnt sich danach, die Kinder in den Armen zu halten, die Wärme ihrer kleinen Körper zu spüren, den Duft ihrer Haut wahrzunehmen, dieses Gemisch von Babycremes, Milch, Wind und Sonne, Noahs munteres Geplapper hören zu können und Davids genüssliches Schmatzen und leises Grummeln beim Trinken, von dem Laura ihr schrieb. Erfüllt von Sehnsucht arrangiert sie mit Hilfe ihrer Software ein neues Bild, auf dem ihre Enkel in ihrem eigenen Wohnzimmer zu sehen sind. Beim Anblick der Kleinen in ihrem eigenen vertrauten Umfeld laufen ihr die Tränen über die Wangen. Wozu nützt die Fotomontage? Sie vergrößert nur ihre Sehnsucht, sie stillt sie nicht. Freuen will sie sich, denn morgen ist es endlich wieder so weit. Nach vielen seitenlangen ausführlichen Emails, zahlreichen Fotos und unzähligen Gesprächen am Telefon, die die Zeit der Trennung erträglicher machen sollten, würden sie nach Bahrain fliegen, um Laura und die Kinder für drei Monate nach Deutschland zu holen. Welch ein Geschenk! Drei Monate Glückseligkeit! Sven, das Los so vieler Familienväter teilend, die ihren Angehörigen die Flucht vor dem unwirtlichen Klima ermöglichten, hoffte Ende des Sommers nach Deutschland kommen zu können, um im Kreise der Familie den Urlaub zu verbringen. Im Herbst, wenn für sie in Bahrain ein Leben außerhalb des Einzugsbereichs einer Klimaanlage möglich wäre, würde er seine drei Lieben wieder mit nach Hause nehmen.
Sie würden ihren Enkel David kennen lernen und ihn mit Laura, Sven und Noah zusammen in die Arme schließen können.
Während Hanna Elisa ein letztes Mal ihre Blumen gießt, bevor sie sie der Obhut ihres Sohnes anvertraut, fragt sie Simon,
„In welcher Eigenschaft treten wir die Reise an? Sind wir Oma und Opa - Mama und Papa oder Hanna Elisa und Simon? In welcher Rolle packen wir den Koffer und bereiten das Haus für den Sommer vor? Verändern wir uns dadurch, dass wir Oma und Opa sind? Behalten wir unsere Gewohnheiten? Sind wir immer gleich?“ Simon bezweifelte das, glaubte an Unterschiede. Aber in ihren gemeinsamen Gesprächen während der Vorbereitungen finden sie keine abschließende Antwort. Fragten sich, ob es überhaupt eine Antwort gibt, sind bereit, in diesem Sommer nur Oma und Opa zu sein. Die Arbeit ist getan, die Koffer gepackt, die Tickets bezahlt. Hanna Elisa und Simon lassen den Tag noch einmal gedanklich an sich vorüberziehen und haken zum hundertsten mal die Liste der Vorbereitungen ab. Mit leichter Hand begleitet von fröhlichen Gedanken an kommende Tage haben sie alles an Ort und Stelle gerückt und sie sehen Noah schon lachend durch den Garten laufen, das Baby in seinem Bettchen liegen, Lauras Freunde mit ihnen am Tisch sitzen, hören die Stimmen, die in kommenden Wochen das Haus mit lebhaftem Geplauder füllen würden . Alles ist gut! Ein letztes Glas Wein, zusammen mit Philip und Freia, die sie zum Flughafen bringen würden, Gespräche, die zu Beginn die Zukunft betreffen und später in die eigene Kindheit führen. Im Auto dann nachdenkliche Stille,
„Stellt nur schnell die Koffer auf den Gepäckwagen und dann fahrt wieder nach Hause, keine Tränen und Abschiedsszenen und richtet Tommy und Isabel unsere Grüße aus“.
„ In drei Wochen sind wir alle wieder vereint. Das wird ein Sommer!"
„Dankt Sven, das er bereit ist, einen ganzen Sommer auf seine Familie zu verzichten.“
Auf dem Flug sitzen Hanna und Simon entspannt nebeneinander, nehmen die Aufmerksamkeiten der Stewardessen entgegen, den immer wiederkehrenden Ablauf des Fluges und die Unterbrechungen wahrnehmend, die den Reisenden beschäftigen, ihn von der Eintönigkeit ablenken und die langen Stunden der Untätigkeit überbrücken sollen. Indem Simon sich den Kopfhörer ins Ohr steckt und den ersten Tönen der angebotenen Musik lauscht gewinnt er bereits Abstand von seinem Alltag. Hanna Elisa versucht ein Buch zu lesen, leichte Reiselektüre, die ihre Aufmerksamkeit nicht fesseln kann. So sind beide in den eigenen Gedanken und in unermesslicher Vorfreude gefangen. Fröhlich hüpft ihr Herz und die kleinen Hopser wären unendlich viel größer ausgefallen, hätte der vorhandene Raum ihres Brustkorbes dies zugelassen. Endlich würden sie die Kinder wieder leibhaftig sehen und hören. Hanna Elisa fragt sich, wie ihre Großeltern einst die Abschiede von den Kindern und Enkelkindern empfanden, sie hatten kein Telefon besessen, es gab keine Emails die Entfernungen überbrücken halfen und keine Videos, um den Trennungsschmerz zu lindern und ihre Liebe zu den in die Ferne ziehenden Kindern war ebenso unbeschreiblich groß gewesen wie die ihre. Das Essen wird serviert und Simon legt seinen Kopfhörer an die Seite. Hanna Elisa verfolgt schon eine Weile die Flugdaten auf dem Monitor, wendet zwischendurch den Blick zum Fenster in der Hoffnung eine Landschaft, eine Stadt erkennen zu können, aber sie sieht nur eine dichte Wolkendecke, die in breiten Streifen unter ihnen davon zieht, verschneiten Straßen oder mit Sahnehäubchen und Baiser verzierten Flüssen ähnlich.
„Nähern wir uns tatsächlich schon Saudi Arabien?“, Simon nimmt ihre Hand und drückt sie aufmunternd,
„Wie fühlst du dich? Bald haben wir die Reise hinter uns. Laura wird die Kinder bereits für die Nacht versorgt haben und alle zehn Minuten auf die Uhr sehen, wann sie endlich zum Flughafen aufbrechen kann, um uns abzuholen“.
Sie essen schweigend und kämpfen in der Enge ihrer Sitzreihe mit der aufwendigen Verpackung ihres kleinen Frühstücks. Nachdem die Stewardess routiniert lächelnd die Tabletts wieder einsammelt, die Spuren der Mahlzeit beseitigt, legt Hanna Elisa ihren Kopf in den Sitz und schließt die Augen.
Unruhige Zeiten stehen ihr bevor.
So schwer ihr zu Beginn der Trennung von Laura die Gestaltung ihres Alltags fiel, so sehr genießt sie jetzt, nach fast dreißig Ehejahren, dass die Kinder sie aus der Verantwortung entlassen haben.
Nun jedoch wird von ihr verlangt, erst einmal die eigenen Bedürfnisse zurück zustellen, auf Stunden des Alleinseins zu verzichten und sich den Kindern zu widmen. Sie weiß, irgendwann einmal, wenn Sven in einem gemäßigten Klima arbeiten würde, Noah und David dem Windelalter entwachsen wären, würden Laura sie nicht mehr brauchen, die Besuche weniger werden, auf Festtage und später einmal auf Pflichtbesuche beschränkt und sie hofft, dass sie dann noch die Kraft besäße, ihre Träume zu verwirklichen und nicht in Untätigkeit in ihrem Fernsehsessel einzuschlafen. Hanna Elisas Gedanken und Gefühle befinden sich schon seit Jahren in einem heillosen Durcheinander. Einerseits hätte sie den ganzen Tag jauchzen und Hurra schreien können, wenn sich ein Wiedersehen mit Laura näherte, andererseits gibt sie ungern für mehrere Monate ihr eigenes Leben auf. Es kostet so viel Kraft nach Lauras Abreise wieder den eigenen Rhythmus zu finden. Wem konnte sie den Widerstreit der Empfindungen anvertrauen? Würde ihn jemand verstehen?
Jakob fehlt ihr. Er besaß die Gabe das Gefühlschaos seiner Lieben zu verstehen. Sie legt den Kopf an Simons Schulter, erwidert seinen liebevollen Blick und ihre Gedanken eilen in die Vergangenheit, verfangen sich in den unruhigen Zeiten ihres eigenen Beginns.






Ein einfaches Leben




Mit Ehemann lebe ich in einem ehemaligen Bauernhaus, umgeben von Katzen, Igel, Fröschen, Kröten, Fischen, Turm- und Wanderfalken,Eisvogel und Sperlingen, in einer fast immer gut gelaunten Wohn- und Lebensgemeinschaft. Humor prägt unseren Alltag. Seid Kindertagen politisch interessiert, 15 Jahre in der Komunalpolitik aktiv, zurückgezogen ins Privatleben. Denn! Habe den Eindruck, unsere heutigen Machthaber behandeln uns nicht besser als in der Feudalzeit das gemeine Volk behandelt wurde. Werden wir zu anderem gebraucht als Abgaben zu leisten, den Umsatz anzukurbeln, sprich einzukaufen, und alle paar Jahre einmal wählen zu gehen. Mein Fazit, da die Regierenden aller Parteien den Bezug zur Wirklichkeit schon lange verloren haben, fühle ich mich in ihren Parteien nicht mehr zuhause. Musik, Literatur, Malen, Gärtnern sind mein Hobby. Ich mag Menschen mit Ecken und Kanten, Humor und Toleranz und da Tochter und Schwiegersohn, Sohn und Schwiegertochter und zwei Enkelsöhnen diesen Anspruch erfüllen, sind sie meine Freundinnen bzw. Freunde mit denen es Freude macht Freizeit zu verbringen.